Den USA geht es im Irak vor allem um Erdöl, sagen KriegsgegnerInnen. Oder eher um den US-Dollar? Eine Übersicht über gängige Thesen zu den Kriegsmotiven der USA.
It’s for oil“ – meint wahrscheinlich der Großteil der weltweiten GegnerInnen der militärischen Beseitigung der Baath-Diktatur in Bagdad. Aber bloß um billiges Öl kann es nicht gehen. Denn was die USA gemäß dieser Version tun wollen, wären sie bereits in Bagdad – die Produktion rasch verdoppeln, um die Ölpreise zu senken (und nebenbei das OPEC-Preiskartell zu beseitigen) – entspricht genau dem, was der Irak selbst angekündigt hat, sollten die Sanktionen aufgehoben werden. Dazu braucht man Bagdad nicht in Schutt und Asche zu legen. Doch selbst die Grundannahme ist fragwürdig, nämlich dass Washington an „billigem Öl“ interessiert wäre. Denn niedrig bleiben Ölpreise dann, wenn das Angebot mit der steigenden Nachfrage Schritt hält – und dafür müssen weltweit Hunderte Milliarden US-Dollar investiert werden, was bei einem zu niedrigen Ölpreis kaum geschehen wird. Fällt er unter 24 Dollar, geraten die Saudis unter Druck, und ein Preis von zwölf Dollar „wäre das Ende aller Investitionen außerhalb der Golfstaaten“, meinte Fadhil Chalabi vom Londoner Zentrum für globale Energiestudien Anfang März gegenüber dem Standard.
Außerdem wird vergessen, dass ein großer Teil der US-Administration aus der Ölbranche kommt. Niedrige Ölpreise bedrohen deren Rentabilität, hohe steigern sie. Signifikant ist in diesem Zusammenhang, was der frühere saudische Ölminister, Scheich Ahmed Zaki Yamani, dem britischen Observer im Jänner 2001 zum ersten Ölpreisschock von 1973/74 erzählte: „König Faisal schickte mich zum Schah des Iran, der sagte: Warum sind Sie gegen die Ölpreissteigerung? (…) Fragen Sie Henry Kissinger – er ist es, der einen höheren Preis will.“ Die Erklärung Yamanis: „Die Ölgesellschaften hatten damals echte Probleme, sie hatten einen Haufen Kredite aufgenommen und brauchten einen hohen Ölpreis, um über die Runden zu kommen.“
Womit wir bei einem anderen möglichen Kriegsmotiv angelangt wären, nämlich der US-Ölindustrie den Zugriff auf irakisches Öl zu ermöglichen, der ihr derzeit verwehrt ist. Zweifellos ist der Persische Golf das Eldorado der Ölbranche: Die niedrigen Produktionskosten (zwei Dollar pro Barrel nach offiziellen US-Schätzungen) bedeuten, dass es nirgends so profitabel ist, „in Öl“ zu sein wie am Golf. Einmal in Bagdad, könnten die USA die existierenden Verträge mit der russischen, französischen und chinesischen Konkurrenz für nichtig erklären und ihre eigenen Konzerne ins Geschäft bringen – und nach internationalem Recht hätten die USA alle Möglichkeiten dazu, schrieb das Wall Street Journal Ende Jänner.
Über die Richtigkeit dieses Arguments wird die Zukunft entscheiden. Unstrittig ist aber, dass die Sicherung des Zugangs zu strategischen Ressourcen wie Erdöl zu den traditionellen Zielen der US-Außenpolitik gehört.
Bisher beruhte die relative Stabilität von Versorgung und Preisen in erster Linie auf der Fähigkeit und Bereitschaft des US-Verbündeten Saudi-Arabien, den Ölhahn einmal auf- und dann wieder zuzudrehen. Aber Riyad gilt in Washington nicht mehr als verlässlich, von der Gefahr einer islamistischen Machtübernahme ganz zu schweigen. Solche Risiken sind nicht tolerierbar, wenn es um die Weltherrschaft geht, welche die USA nach ihrer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie anstrebt. Die Besetzung des Irak wäre nur der erste Schritt; die Saudi-Arabiens der zweite, empfahl der Vorsitzende des Defense Policy Board der USA, Richard Perle, im Vorjahr.
Stichhaltiger erscheint diese Argumentation, wenn man der so genannten „Peak Oil“-Hypothese einen gewissen Wahrheitsgehalt zuschreibt. Nach der von Ölexperten wie dem früheren Texaco/Amoco-Geologen Colin J. Campbell und Ölindustrie-Konsulenten wie Matt Simmons (siehe Links) vertretenen Ansicht hat die Weltförderung von konventionellem Öl bereits ihr Maximum erreicht oder steht kurz davor – im Gegensatz zu offiziellen Prognosen wie etwa der Internationalen Energieagentur (IEA) der OECD. Jedenfalls wäre außerhalb der OPEC eine höhere Förderung trotz neuer Funde kaum mehr möglich, womit die Abhängigkeit vom Persischen Golf und die Ölpreise rascher steigen dürften als erwartet. Die US-Administration wäre darüber vollkommen im Bilde – der Afghanistan- und Irakkrieg wären die ersten Schritte, um die verbleibenden Reserven an konventionellen Öl unter Kontrolle zu bringen. Selbst wenn die Peak-Oil-These offiziell belächelt wird: Auch die IEA erwartet, dass die Nicht-OPEC-Förderung ihren Höhepunkt 2010 erreicht und ab dann sinkt.
Dies bringt uns zu einem letzten, in Internetmedien wie Indymedia verbreiteten wirtschaftlichen Kriegsmotiv: Es ginge den USA vor allem darum, einen Umstieg der OPEC auf den Euro als Ölwährung und die damit verbundene Schwächung des US-Dollar zu verhindern. Tatsächlich wird irakisches Öl seit Oktober 2000 auf irakischen Wunsch in Euro fakturiert, und der Iran überlegt einen ähnlichen Schritt, seit der Euro die Parität zum Dollar erreichte (und auch Nordkorea verwendet seit Dezember 2002 im Außenhandel den Euro, womit die Achse des Bösen komplettiert ist). Ein geschlossener OPEC-Umstieg würde bei einem Ölpreis von 30 Dollar 240 Mrd. Dollar betreffen, also einen erheblichen Betrag. Würden weltweit 700 Mrd. Dollar in andere Währungen umgeschichtet, könnte der „Greenback“ um 40 Prozent fallen, schätzten britische Ökonomen in einer Studie von 1998 (Richard Portes von der London Business School und Helene Rey von der London School of Economics).
Ein derartiger Kurssturz des US-Dollar wäre für die ganze Weltwirtschaft eine Katastrophe – mit der Rolle der USA als Konjunkturlokomotive wäre es vorbei, ausländische Investoren in den USA hätten enorme Wertverluste zu realisieren, und in den USA würden Inflation und Zinsen steigen und die Konjunktur abwürgen. Rasche Umschichtungen, die eine solche Kursbewegung auslösen könnten, wären am ehesten von privaten Investoren zu erwarten. Vor einigen Monaten etwa kursierten – dementierte – Meldungen in der Weltpresse, saudische Investoren könnten ihre US-Investments (auf bis zu 700 Mrd. Dollar geschätzt) aus den USA abziehen. Was noch ein Motiv für einen Präventivschlag ergibt.
Quellen/Links
THE END OF CHEAP OIL, Colin J. Campbell and
Jean H. Laherrère, Scientific American,
März 1998, u.a. www.dieoff.com/page140.htm
http://globalpublicmedia.com/INTERVIEWS/MATT.SIMMONS/
www.dieoff.com/page140.htm http://globalpublicmedia.com/INTERVIEWS/MATT.SIMMONS/